Malerisch. So einfach ist das winzige Örtchen Kalami im Nordosten Korfus zu beschreiben. Ein kleiner Strand, zwei Tavernen direkt am Wasser, einige Ferienwohnungen und der Mini Market „Super Mario“. Wer hier ankommt, der ist angekommen.
Schon nach den ersten Minuten ist Zuhause ganz weit weg, genausowie Job, Packstress und Flughafen. Wobei das Packen für eine Seekajakreise ja eigentlich nicht stressig ist. Minimalinvasiv wird hier die Tasche beladen und man muss sich bemühen, die 23 Kilo Freigepäck überhaupt voll zu bekommen. Hier in Kalami muss schließlich alles wieder ins Boot passen. Immerhin verzichten wir bei unserer Reise rund um die Insel auf jegliche Art von Begleitung. Die würde auch nicht überall hinkommen. Denn teilweise sind die Buchten und Strände, die uns hier auf Korfu erwarten, nur über den Wasserweg zu erreichen. Und genau das ist es, was wir suchen - Abgeschiedenheit und Ruhe. Und zwar für die nächsten sechs Tage.
Ein, zwei Ouzo, ein leckeres Tsatziki und dann heißt es noch einmal jeglichen Komfort der bequemen Ferienwohnung zu genießen, bevor wir am kommenden Morgen ablegen zur Inselumrundung. Schon früh begrüßt uns die Sonne, die Kajaks warten bereits am Strand. Wer einen geräumigen Skagerrak für die Reise geordert hat, der bekommt auch noch das ganze Sixpack Mythos in den Rumpf. Doch komischerweise gilt auch diesmal wieder die Devise: Je größer das Kajak, desto voller ist es am Ende. Auch ein Akaroa bietet genug Platz für jeglichen Komfort. Am meisten Luft ist am Ende gar noch im kleinsten Biskaya. Wer ordentlich packt und wirklich nur das Nötigste mitschleppt, der ist hier ganz klar der Sieger. Und wird diesen Sieg auch auf der ganzen Reise auskosten. Denn wer weniger hat, muss weniger suchen. Und was braucht es schon an Luxus auf einer solchen Reise - mal abgesehen von einer einsamen Bucht und einem grandiosen Sternenhimmel?
Nach dem Ablanden in Kalami geht es Richtung Norden. Jetzt, im Herbst, sind die kleinen Buchten leer. Wer noch auf der Insel ist, den zieht es in die größeren Ferienorte. Wir genießen die Einsamkeit und kommen nach entspannten 20 Kilometern am ersten Campspot an. Der Blick schweift über die aufgewühlte See. Und auf das sehr nahe Albanien, das im Golf von Korfu keine zwei Kilometer von unserer Insel trennt. Dann heißt es die Zelte aufzuschlagen. Haben wirklich alle alles dabei? Innenzelt, Außenzelt, Heringe? Wäre ja nicht schlecht, hier in der Knüste …
Der nächste Paddeltag beginnt mit einem ultralangen Sandstrand. Während anfangs noch die Einsamkeit herrscht, wird es im Nordwesten immer voller. Die Ferienorte Roda und Sidari liegen vor uns. Diese gilt es schnellstmöglich abzupaddeln, will man sich nicht zu den rotgebräunten Engländern gesellen, die hier am Strand in der Mittagshitze glühen. Auch im Oktober hat die Sonne noch ordentlich Power.
Nach Sidari wird es ganz herrlich. Es wartet das Kap Drastis, eine einsame und spektakuläre Sandstein-Formation, die den südwestlichsten Punkt der Insel markiert. Ab hier warten rund zehn Kilometer Steilküste. Wie auf Rügen, nur wärmer. Anlanden geht nicht, Wind und Wetter sollten also stimmen. Danach folgt noch einmal ein spannendes Eck. Bei Westwind baut sich am Kap Kefali, dem westlichsten Zipfel der Insel, eine wilde Kreuzsee auf. Wer hat, der lässt das Steuerskeg zu Wasser, um die große Bucht von Arillas zu queren. So am Ende des Tages, nach rund dreißig Kilometern, wollen die letzten Reserven nicht durch unnötige Steuerschläge verschwendet werden. Leicht laufen die flotten Kajaks bei achterlicher See auf unseren zweiten Übernachtungsplatz der Tour zu. Schnell sind die letzten Badegäste im „Porti Timoni“ durch unsere bloße Anwesenheit vertrieben und die Zelte errichtet. Dann, kurz vor Sonnenuntergang, wandern wir über einen steilen Eselspfad hinauf zum Örtchen Afionas, genießen die untergehende Sonne und ein kaltes Bier vom Büdchen. Yeia mas!
Was in den nächsten zwei Tagen folgt, das ist die beeindruckende Westküste Korfus. Steile Felswände fallen teils senkrecht ins Meer. Kleine Buchten mit glasklarem Wasser und strahlend weißem Kies laden zum Baden ein. Zu den meisten Stränden auf den nächsten fünfzehn Kilometern führen weder Pfad noch Straße. Ebenso abgeschieden zeigt sich unsere Bucht für die Nacht. Hier gibt es nicht einmal Handyempfang, was bei dem einen oder anderen fast ein bisschen Panik auslöst - aber nur ganz heimlich und leise…
Je weiter wir in den Süden von Korfu gelangen, desto mehr öffnet sich die Küste wieder. Kies macht dunklen Sandstränden Platz. Kleine Ferienorte schmiegen sich in die Buchten. Auch einige Bausünden sind dabei. Der schroffe Fels weicht einer orangenen Sandstein-Küste, die teilweise noch beachtlich steil ist. An ihr nagt der Zahn der Zeit, genauso wie an den hoch über dem Wasser liegenden Gebäuden und Gärten. Die Küste wird hier durch Sturm und Wasser abgetragen, eine Straße liegt bereits im Meer. Hier hat der eine oder andere zu nah am Wasser gebaut.
Am beeindruckenden Kap Arkoudilas, ganz im Süden, verabschieden wir uns von der Westküste und biegen in den Südosten ab. Der schönste und beeindruckendste Teil der Insel ist nach fünf Tagen paddeln geschafft. Noch ein letztes Mal übernachten, dann führt uns die letzte Etappe zurück nach Korfu Stadt. Hier endet die Reise, der Urlaub jedoch noch nicht. Denn jetzt heißt es, die Altstadt von „Kerkyra“ zu erkunden. Auch sie hat eine Menge zu bieten. Unter anderem großartige Bars und Restaurants, in denen man für wenig Geld das beste griechische Essen genießen kann. Zumindest, wenn man sich von den üblichen Touristen fern hält und in einer „Tsipouradiko“ sein Glück sucht. In diesen meist einfachen Restaurants gibt es, ähnlich wie in einer spanischen Tapas-Bar, kleine Portionen allerlei leckerer Gerichte sowie hervorragende Weine und - natürlich - Tsipouro, den großen und starken, aber weniger bekannten Bruder des berühmten Ouzo …
Text und Bilder: Christian Zicke
Wer die griechischen Insel mit dem Seekajak entdecken will, der wende sich vertrauensvoll an unsere Freunde Christian und Nadja, die seit vielen Jahren mit ihrer Kanuschule „Outdoordirekt“ in Griechenland unterwegs sind, seit 2013 auch auf Korfu.
www.outdoordirekt.de/griechenland